1675/88 Hus/Arp Schnitger-Orgel
Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Cosmae et Damiani
Kurze Einführung und Geschichtliches
Die Hus-Schnitger-Orgel von Stade in St. Cosmae/Niedersachsen mit ihren drei Manualen und 42 Registern auf 16-Fuß-Basis, gilt heute als eine der bedeutendsten großen norddeutschen Barockorgeln dieser Zeit. Sie erlaubt einen Einblick in die norddeutsche Orgelkultur des 16. und 17. Jahrhunderts und eine authentische Darstellung der Orgelkompositionen dieser Zeit. Das Instrument hat einen außergewöhnlich großen originalen Pfeifenbestand. Die meisten Zungenregister sind original erhalten. Erster Organist war Vincent Lübeck im Jahre 1675, der hier fast 30 Jahre wirkte.
Nach Ende des dreißigjährigen Kriegs 1648 (dem Geburtsjahr Arp Schnitgers), der weite Teile Deutschlands auch kulturell verwüstet hatte, war der Bau einer großen Orgel, wie der von St. Cosmae in Stade ein bemerkenswertes Projekt einer neuen Zeit. Stade war zu dieser Zeit Regierungshauptstadt der schwedischen Herzogtümer Bremen und Verden.
Nach dem großen Stadtbrand von 1659, der auch die Cosmae-Kirche und die Vorgängerorgel zerstört hatte und dem Wiederaufbau, wurde 1668 der Orgelbaumeister Berendt Hus aus mit dem Bau einer neuen großen Orgel für St. Cosmae beauftragt.
1666 trat Arp Schnitger mit 18 Jahren in die Werkstatt seines Onkels Hus ein. 1670 wird Arp Schnitger 22-jährig offiziell erstmalig als Geselle von Hus erwähnt. Die ungewöhnlich hohe Besoldung zeigt die besondere Wertschätzung Arp Schnitgers, dem bereits hier eine wichtige Rolle im Orgelbau zuteil wurde.
Der Bau erfolgte in verschiedenen Etappen, ein Kontrakt für die gesamte Orgel ist leider nicht erhalten. 1670 wurde die Balganlage und das Hauptwerk (Oberwerk) mit den doppelten Springladen fertig gestellt und mit dem Bau des Rückpositivs begonnen. Der Prospekt der Hus-Schnitger-Orgel zeigt den typischen Aufbau des sog. Hamburger Prospekts mit Pedalwerk, Hauptwerk, Brustwerk und Rückpositiv.
1671 wurde nach Fertigstellung des Rückpositivs der Vertrag für das Pedalwerk abgeschlossen. Das Brustwerk wurde offenbar 1672 fertig gestellt. Die endgültige Fertigstellung erfolgte 1675. Das Instrument hat 42 Register und steht einen Ganzton über normal. Arp Schnitger wurde mit einer Gratifikation für die wertvolle Mitarbeit besonders gewürdigt. Vermutlich hat Schnitger auf Anregung von Lübeck hin im Jahre 1688 vier neue Register eingebaut, die Trommet 16 und Cimbel im Hauptwerk, sowie Krumphorn 8 und Schalmey 4 im Brustwerk.
Verschiedene Eingriffe wurden in den folgenden Jahrhunderten vorgenommen. Eine systematische Restaurierung fand 1972 durch Orgelwerkstatt Jürgen Ahrend /Leer-Loga mit Rekonstruktion der alten Empore und Rekonstruktion des Rückpositiv-Gehäuses in der Brüstung statt. Eine weitere Nachbearbeitung wurde durch Orgelwerkstatt Jürgen Ahrend 1993-94 vorgenommen. Eine neue Farbfassung des Gehäuses nach modernen Analysen zur historischen Substanz wurde 2008 durchgeführt.
Das Instrument trägt deutlich erkennbar die Handschrift beider Orgelbauer. Während das Hauptwerk doppelte Springladen aufweist, befinden sich in Rückpositiv, Brust- und Pedalwerk Schleifladen. Soweit bekannt, baute Hus nur Springladen, während Arp Schnitger sich für Schleifladen entschieden hatte, die in ihrer Konstruktion einfacher als die Springladen herzustellen sind.
Das Pfeifenwerk zeigt eine andere Charakteristik als das der noch existierenden Hus-Orgeln. Der Spät-Renaissance/Frühbarock-Stil von Hus bevorzugt mildere Klangfarben, während der Schnitger-Klang den typischen helleren, klareren und schärferen Klang, vor allem der Mixturen, und eine hohe Verschmelzungsfähigkeit der Zungenregister aufweist. Dies alles zeigt, dass Arp Schnitger offenbar bereits maßgeblichen Einfluss beim Bau dieser Orgel hatte.
Die Hus-Schnitger-Orgel gilt heute als eine der bedeutendsten großen norddeutschen Barockorgeln und ist Ziel vieler Konzerte, Organisten, Orgelstudienfahrten und Workshops und war der Grundstein für Arp Schnitgers beispiellose Karriere.
Ortsposition in Googlemaps
Aufnahmetechnik
Das Instrument wurde im Okt./Nov. 2008 mit 48 kHz, 24 Bit, Multikanaltechnik für Hauptwerk 3 mit mehreren Nachhall-Antworten für kurze, mittlere und lange Tondauern aufgenommen (sog. Multi-Release-Technik von OrganArt). Das Trechter Regal-Zungenregister wurden zusätzlich mit originalem Tremulanten-Klang aufgenommen.
Danksagung
Ganz besonderen Dank gilt der Pfarrgemeide von Stade, die Zustimmung zu diesem Projekt gegeben haben. Speziellen Dank gilt dem Hauptorganisten KMD Martin Böcker für hilfreiche Informationen und Diskussionen, so wie Orgelbau Ahrend für die Vorbereitung des Instruments zur Aufnahme!
Nicht zuletzt gilt der Dank meiner Frau, die alle Projekte assistiert und für die fotografische Dokumentation verantwortlich ist.
Die virtuellen Konsolen
Disposition
HINWEIS: Für kurze Klangbeispiele klicken Sie bitte auf die Registernamen!
Oberwerk
|
Brustwerk (C,D,E,F,G,A–c3)*01. Gedackt 8 H/S Pedal (C,D,E–d1)*01. Principal 16 H/S-A |
SpielhilfenManualschiebekoppel BW-OW Tremulant für die gesamte Orgel |
H/S: Berendt Hus, Mitarbeit Arp Schnitger (1668–1675)S: Arp Schnitger (1688) S-A Schnitger, teilweise ergänzt durch Ahrend H-A: Hus, teilweise ergänzt durch Ahrend A: Jürgen Ahrend (1975) * Erweiterte Version: Manuale C–d3, Pedal C–f1, Tremulanten konfigurierbar |
Tonhöhe
1 Ganzton über Normalstimmung (a1 = 493 Hz)
Modifiziert mitteltönig (3 reine Terzen)
Balgsystem
6 historische Bälge (davon 4 aktuell in Betrieb, Kalkantenbetrieb möglich)
Winddruck: 82 mm
Oberwerk: Doppelte Springlade, sonst Schleifladen
Anforderungen
Geladene Version |
Speicherbedarf 3) |
Prozessortyp |
16-bit, komprimiert1), Einzel-Loop | 3300 MB | ≥ 2 GHz DualCore 2) |
16-bit, komprimiert1), alle Loops |
3900 MB |
≥ 2 GHz DualCore 2) |
20-bit, komprimiert, alle Loops |
6100 MB |
≥ 2 GHz DualCore 2) |
24-bit, komprimiert, alle Loops |
7100 MB |
≥ 2 GHz DualCore 2) |
1) Verlustfreie Kompression mit gleicher Audioqualität
Die Anzahl der spielbaren Register und die erreichbare Polyphonie hängt von der Prozessor-Leistung und dem verfügbaren freien Hauptspeicher ab!
2) Empfohlen:
Minimale Konfiguration: Dual-Core, 4 GByte RAM
Optimale Konfiguration: QuadCore, 8 GByte RAM
3) Um dieses Set zu laden, ist der angegebene freie RAM-Speicherplatz erforderlich (ohne Berücksichtigung des Betriebssystems oder sonstiger laufender Programme
Wir empfehlen eine professionelle Audio-Wandlerkarte (z.B. RME-Series) und einen Studio-Kopfhörer (z.B. AKG Reference Headphone K701, K712) für optimalen Klang und Raumeindruck.
Demos
Die folgenden Demos wurden mit der Hauptwerk Advanced Edition-Software und dem vorliegenden Set ohne weitere Nachbearbeitung eingespielt.
Alle Demos wurden mit Originalstimmung aufgenommen, wenn nicht anders vermerkt!
Live-Einspielungen mit Anton Doornhein, Niederlande:
Vincent Lübeck (1654-1740)
Praeludium et Fuga in C | 6:34 min | Registrierungen
Praeludium et Fuga in F | 3:23 min | Registrierungen
J. P. Sweelinck (1562-1621)
Variationen über "Soll es sein" | 7:37 min | Registrierungen
Heinrich Scheidemann (~1596-1663)
Magnificat VIII. Toni | Registrierungen
Versus 1 | 1:28 min
Versus 2 | 3:19 min
Versus 3 | 3:35 min
Versus 4 | 2:15 min
Canzon | 4:21 min | Registrierungen
Nicolaus Bruhns (1665-1697):
Praeludium et Fuga in e | 8:14 min | Registrierungen
D. Buxtehude (1637-1707)
Magnificat Primi Toni BuxWV 203 | 7:57 min | Registrierungen
Georg Böhm (1661-1733)
Choral "Vater unser im Himmelreich" | 5:38 min
Choralvariationen "Vater unser im Himmelreich", Versus 1 | 2:34 min
Choralvariationen "Vater unser im Himmelreich", Versus 2 | 4:23 min
J. S. Bach:
Praeludium (Toccata) et Fuga in C BWV 566 | 10:17 min | Registrierungen
Alte-Musik Manuskripte:
Das Susanne van Soldt-Manuskript (1599) | Registrierungen
Brande champanje | 2:27 min
Almande de symmerman | 0:55 min
Almande de La nonette | 0:52 min
De frans galliard | 1:03 min
Pavana Bassano | 2:07 min
Almande Brun Smeedelyn | 1:24 min
Brabanschen ronden dans ofte Brand | 4:38 min
Tobyas om sterven gheneghen | 1:06 min
Almande trycottee | 0:52 min
Das Camphuysen-Manuskript (NL, 17. Jhdt) | Registrierungen
De Engelsche Fortuijn | 0:59 min
Daphne | 4:29 min
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Live-Einspielungen mit Fabio Mancini, Milano, Italy:
D. Buxtehude (1637-1707):
Choralvariationen "Wie schön leuchtet der Morgenstern" BuxWV 223 7:43 min
J. S. Bach:
Fuga in g BWV 542a (Variante aus Krebs-Manuskript) 5:53 min Kirnberger III-Stimmung
Heinrich Scheidemann (~1596-1663):
Praeambulum III 1:08 min
Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621):
Fantasia in a (Echo Fantasia) 3:57 min Mitteltönig 4. Komma
Choral "Nun komm der Heiden Heiland" 3:27 min Mitteltönig 4. Komma
Paul Hofhaimer (1459-1537):
Salve Regina 7:12 min
Zahlreiche weitere Live-Einspielungen sind auf der ConcertHall-Webseite zu finden:
(Advanced Search, Organ: OAM - Hus-Schnitger)
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Videos:
Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621):
Variations on »Mein junges Leben hat ein End« from Prof. Christian Börsing on Vimeo.
Prof. Jürgen Kursawa spielt Bruhns auf der Hauptwerk-Orgel von Jörg Glebe, Deutschland
Klaus Müller, Dortmund, spielt Lübeck auf der Hauptwerk-Orgel von Jörg Glebe, Deutschland
© OrganArt Media, alle Rechte vorbehalten
Die vorliegenden Audio-Demos dürfen nur für private Zwecke benützt werden.
Keine weitere Benutzung ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Herausgebers!
Weiterführende Information, Diskographie und Webadressen
Web-Adressen
Kirchengemeinde St. Cosmae
Kirchenmusik St. Cosmae
Stade-Tourismus
Arp Schnitger-Diskographie
Video über die Orgel und das Springladen-System
CD-Produktionen (Auswahl):
Denkmäler barocker Orgelbaukunst
Martin Böcker, Hus-Schnitger-Orgel, Stade
(Praetorius, Scheidemann, Weßnitzer, Weckmann, Scheidt, Reincken, Buxtehude, Bach)
ambitus 97 800, 1994
Vincent Lübeck - Sämtliche Werke für Orgel und Cembalo
Martin Böcker, Hus-Schnitger-Orgel, Stade und Cembalo
ambitus 97 868, 1996/97
Bach in St. Cosmae
Martin Böcker, Hus-Schnitger-Orgel, Stade
classico, CR 201179, 2001
Aro Schnitger in Niedersachsen (CD1)
Claudia Heberlein-Johnson/USA, Hus-Schnitger-Orgel, Stade
(Lübeck, Buxtehude, Bruhns, Böhm etc.)
MDG, 1124-2, 2002
Vincent Lübeck - Das Orgelwerk
Joseph Kelemen, Hus-Schnitger-Orgel, Stade
OEHMS Classics OC 607, 2007
Dieterich Buxtehude - Die Choralfantasien, Vol. 2
Pier Damianao Peretti, Hus-Schnitger-Orgel, Stade
IFO Records 7224.3, 2007
Literatur:
Martin Böcker, Peter Golon
Die Orgelstadt Stade
Orgelakademie Stade e.V., 2004, S. 49-57
Martin Böcker
"seinem gesellen Arpen, zur Verehrunge"
Zeitschrift Organ 3/07, Schott-Verlag, S. 28-34
C.H. Edskes, Harald Vogel
Arp Schnitger und sein Werk
Verlag Hauschild, Bremen, 2009, S. 18-22, 171-172